Dieser Blogartikel geht im Ursprung auf einen Fachartikel zurück, den ich bereits 2005 geschrieben habe, mit dem Fokus auf komplexe IT-Systemintegrationsprojekte. Heute ist das Thema Issue Management aktueller denn je – gerade im Kontext moderner agiler Methoden, DevOps, Enterprise Architecture, Projektgovernance und digitaler Transformation sowie im Hinblick auf steigende Systemkomplexität durch stark integrierte, heterogene Systemlösungen und Multi-Stakeholder-Projektumgebungen. So ist der Artikel zwar aus der Perspektive eines klassischen Projektmanagers geschrieben, spricht aber Produktmanager, Architekten, Entwickler, Business Owner oder Scrum Master gleichermaßen an. Man könnte in Bezug auf Issue Management also von einem „Evergreen“-Thema sprechen.
Die Herausforderung – das Unsichtbare sichtbar machen
Projektmanager müssen planen, steuern – und vor allem sicherstellen, dass keine Arbeit liegen bleibt. Letzteres ist damit verbunden, stets genau zu wissen, wo es derzeit hakt, und wer für den jeweils nächsten Schritt verantwortlich ist.
Um den Überblick zu behalten und Verantwortlichkeiten klar zu steuern, ist Transparenz im Projektmanagement gerade in Umgebungen mit hoher Dynamik und komplexen Abhängigkeiten entscheidend.
Ohne geeignete Management-Tools lassen sich aber nur größere Aufgaben planen und nachverfolgen: eben solche, wie man sie typischerweise in einem Projektplan genannt sieht.
Wenn aber große, komplexe Aufgaben nicht recht vorankommen, liegt das meist daran, dass eine ganze Reihe kleiner und kleinster Teilaufgaben nicht bearbeitet werden und man das zu lange nicht merkt, da sie sich – eben weil sie so klein sind – der gezielten Beobachtung durch den verantwortlichen Projektmanager entziehen. Dieser kann schon allein aus Zeitgründen nicht alle für deren Bearbeitung notwendigen Anstöße selbst geben.
Der Lösungsansatz
Dieses Problem zu lösen, bieten sich Issue Tracking Systeme an – Lösungen, mit denen eine große Zahl selbst kleinster Aufgaben strukturiert erfasst und leicht verwaltet werden kann, in dem Sinne, dass stets klar ist, wer – eine solche Aufgabe betreffend – den nächsten Schritt zu tun hat. Mehr noch: Issue Tracking Systeme ersetzen „nur“ auf Mikroebene sogar den Projektmanager, da sie in der Lage sind, den jeweils verantwortlichen nächsten Bearbeiter automatisch anzustoßen, wenn er nicht rechtzeitig tätig wird. Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zu effektivem Aufgabenmanagement und schaffen klare Strukturen für agile Delivery – insbesondere dort, wo Teams parallel an zahlreichen Arbeitspaketen tätig sind.
Mit anderen Worten: Ebenso wie Projektmanager auf Makroebene das Geschehen vorantreiben, können Issue Tracking Systeme dies auf Mikroebene tun – eben dort also, wo der Mensch im Wahrnehmen seiner Projektmanagementaufgabe an Grenzen stößt.
Issue Tracking Systeme sind eine Fortentwicklung sogenannter Bug Tracking Systeme und lassen sich – anders als jene – einsetzen
- nicht nur für Fehlermanagement,
- sondern ganz grundsätzlich für das Verwalten und Verfolgen aller Aufgaben, an denen im schnellen Wechsel – unter Umständen über eine längere Zeit hinweg – mehrere Personen zu arbeiten haben (sogenannte Issues).
Nun, 2025 – also 20 Jahre nachdem ich den Artikel in der Ursprungsfassung geschrieben habe – sind Issue Tracking Systeme zentrale Bestandteile moderner Work Management oder Collaboration Management Software geworden. Aber viele Nutzer solcher Systeme haben leider noch nicht verstanden, wie diese überaus hilfreichen Tools richtig, im Sinne von gewinnbringend, einzusetzen sind. Wenn sowohl Nutzen als auch Akzeptanz ausbleiben, liegt das meiner Erfahrung nach daran, dass nicht ausreichend zwischen trivialen – verfolgungsunwürdigen – und für das Erzielen von Projektfortschritt relevanten Teilaufgaben unterschieden wird.
Warum sich Issue Management für alle Projektbeteiligten lohnt
Nachdem klar ist, was Issue Tracking Systeme leisten, stellt sich die Frage: Lohnt sich der Aufwand? Erfassen, Verwalten und systematisches Verfolgen aller Issues sind notwendige Grundpfeiler für erfolgreiches Issue Management:
Gerade in komplexen IT-Projekten gilt es – und das bereits in der Planungsphase – eine Vielzahl feingranularer Fragen und Planungsaufgaben zu koordinieren und zu lösen. In der Entwicklungsphase bis hin zur Betriebsphase treten darüber hinaus oftmals Fehler auf, die nicht sofort einem bestimmten System, einer bestimmten Applikation oder einem bestimmten Service zuordenbar sind. Anfangs ist unter Umständen sogar noch unklar, ob ein Fehler auf hardware- oder software-bedingte Mängel zurückzuführen ist.
Um diese Fragen, Planungsaufgaben oder Fehler auch noch nach Tagen, Wochen oder sogar Monaten nachvollziehen zu können und um stets genau zu wissen, in welchem Bearbeitungszustand sie sich gerade befinden, ist eine ganzheitliche Betrachtung des Themas Issue Management unerlässlich – insbesondere als integraler Bestandteil einer modernen Projektgovernance.
Um zahlreiche Issues parallel zueinander schnell, effektiv und auch kostengünstig bearbeiten zu können, sind dabei drei Dinge entscheidend:
- Systematische Erfassung
- Effektive Verwaltung
- Konsequente Verfolgung
Systematische Erfassung bedeutet:
- Strukturiertes Festhalten möglichst aller relevanten Informationen zu einem Issue.
- Sicherstellen der Nachvollziehbarkeit des Issues durch möglichst präzise Angaben.
- Klare Klassifizierung des Issues (als Task, Bug, Change oder Feature Request).
Effektive Verwaltung hat zum Ziel:
- Konsolidieren erfasster Issues (Qualitätssicherung und Dublettenbeseitigung).
- Arbeiten mit einer einzigen Datenbasis als optimaler Kommunikationsgrundlage.
- Alle Bearbeiter müssen parallel zueinander – lesend und schreibend – auf dieser gemeinsamen Datenbank (bzw. zentralen Plattform) arbeiten können, die allen Beteiligten als Single Source of Truth dient.
Konsequente Verfolgung ermöglicht:
- Zügiges Weiterreichen der Issue Tickets an dafür zuständige Firmen oder Personen.
- Schnelle Reaktion dieser Bearbeiter, und so
- schnelle, zielgerichtete Erarbeitung der Lösung.
„Systematische Erfassung und effektive Verwaltung aller Issues sind Voraussetzungen, um konsequente Verfolgung und rechtzeitige Bearbeitung zu ermöglichen. Konsequente Verfolgung fördert Kundenzufriedenheit und reduziert Projektabwicklungskosten.“
Transparenz in der Zusammenarbeit von Kunde, Systemintegrator und seiner Realisierungspartner
Man erkennt: Wo bewusst ein möglichst reibungsloser, zügiger und damit auch kostengünstiger Projektverlauf angestrebt wird, kann auf derartiges Issue Management nicht verzichtet werden.
Notwendig ist dazu enge Zusammenarbeit aller am Projekt beteiligten Parteien: Kunde, Systemintegrator und Hersteller müssen in möglichst effizienter, zeitsparender Weise miteinander kommunizieren.
Die dazu erforderlichen Schritte sind Aufgaben, die sich einfacher gestalten, wenn
- geeignetes Werkzeug zur Verfügung steht,
- Auftraggeber und Auftragnehmer es gemeinsam nutzen und
- beide sich auf einen gemeinsamen Prozess hierfür verständigt haben.
Wichtig also ist, dass Auftraggeber und Auftragnehmer alle Information, die sie erzeugen oder bearbeiten, in der Absicht, sie in stets aktueller Fassung dem Partner auf einer gemeinsam genutzten Plattform bereitzustellen.
Gemeinsam Zugriff auf dieselbe Issue Datenbank zu haben bedeutet:
- Der Auftraggeber kann sich selbst zu jeder Zeit detailliert über den Bearbeitungszustand informieren. Er wird das Werkzeug deswegen gerne nutzen und einsehen, dass es Sinn macht, wenn er selbst dort Issues dokumentiert.
- Dadurch entfallen für den Auftragnehmer (Systemintegrator) gewisse zeitaufwändige Berichtspflichten und auch all jene Arbeiten, die eine ansonsten notwendige Zweiterfassung durch den Kunden gemeldeter Issues mit sich brächte.
- Wenn zudem auch weiteren Realisierungspartnern (Subunternehmern und Herstellern) Zugriff auf die Issue Datenbank ermöglicht wird – natürlich nur hinsichtlich der sie betreffenden Issues –, entfallen für den Generalunternehmer einige ansonsten notwendige Arbeiten: Seine Aufgabe hinsichtlich Issue Management reduziert sich dann auf Konsolidierung der Issues und auf Terminkontrolle.
Die Systemlösung – cloudbasiertes Issue Management System
Da Issue Management auch über die Unternehmensgrenze hinaus zu reichen hat, muss ein web-basiertes System genutzt werden: ein System also, auf das jeder Beteiligte von jedem Ort aus, zu jeder Zeit, Zugriff hat: im eigenen Büro ebenso wie in den Büros der Partner oder etwa unterwegs auf Dienstreise. Dazu muss die Lösung idealerweise sicher gehostet und im Responsive Design umgesetzt.
Damit das System in solchem Umfang einsetzbar ist, hat es zudem rollenspezifische Sichten zu unterstützen. Auch sollte es in der Lage sein, von sich aus per E-Mail (in rollenspezifisch konfigurierbaren Abständen) Benachrichtigungen (sog. Alerts) abzusetzen – sowohl an nicht rechtzeitig tätig werdende Bearbeiter als auch an für den Arbeitsfortschritt insgesamt verantwortliche Manager. Ihrer Form nach sind solche Alerts kurze Reports, die zeigen, wo gewünschter Arbeitsfluss stockt – sehr konkret gefasste Erinnerungen also.
Key Takeaways
Ein auf die Art der Projekte eines Unternehmens optimal zugeschnittenes Issue Tracking System erfüllt all diese Kriterien und schafft die Grundlage für Transparenz im Projektmanagement, fundierte Steuerungsentscheidungen sowie Optimierung der Zusammenarbeit. Unternehmensinterne ebenso wie unternehmensübergreifende Vorgänge sind mit seiner Hilfe deutlich einfacher und effektiver abwickelbar.